Gedrucktes
Autoritäre Rebellion
Andreas Speit: Autoritäre Rebellion. Wie antimoderne Reflexe breite Schichten der Gesellschaft erfassen und sie immer weiter nach rechts rücken. Berlin 2025, 176 Seiten, 20 Euro
In seiner kenntnisreichen Analyse beschreibt der Rechtsextremismusexperte und Journalist Andreas Speit, warum in breiten Schichten der Gesellschaft antimoderne Vorstellungen dominieren und welche Folgen die damit einhergehende Radikalisierung hat: Anzweiflung der Realität, Ablehnung des Rechtsstaats, Delegitimierung der Demokratie:
»Sie sind Familienangehörige, Freunde, Bekannte, Vereinsmitglieder, Doppelkopfspielende, Tennispartnerinnen oder Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr. Sie haben sich entschieden: Diese Bundesrepublik ist nicht mehr ihre Republik. Wir kennen sie, sie sitzen nicht nur in den Parlamenten oder Talkshows, sie sitzen auch an Küchen- oder Stammtischen. Sie sind wie wir, sie kommen aus der Mitte der Gesellschaft. Ihre Revolte strebt ins Autoritäre.«
Antisemitismus und die AfD
Stefan Dietl: Antisemitismus und die AfD. Berlin 2025, 136 Seiten, 16 Euro.
Antisemitismus ist in der AfD allgegenwärtig. Immer wieder attackiert die Partei unter Rückgriff auf antisemitische Stereotype prominente Vertreter:innen jüdischen Lebens, teilen führende AfD-Funktionär:innen antisemitische Verschwörungserzählungen oder relativieren die Verbrechen des Nationalsozialismus. Trotz der zahlreichen einschlägigen Skandale in ihrer noch jungen Parteiengeschichte wird dem Antisemitismus in der Analyse der AfD jedoch kaum Beachtung geschenkt.
Der Gewerkschafter und Publizist Stefan Dietl widmet sich dieser Leerstelle und beschreibt den Antisemitismus als wesentliches Ideologieelement und Welterklärungsmodell der AfD. Dabei nimmt er die verschiedenen Erscheinungsformen des Judenhasses in der Partei ebenso unter die Lupe wie die Versuche der AfD, sich als Bollwerk gegen Antisemitismus und Fürsprecherin Israels zu inszenieren. Zudem wirft er einen kritischen Blick auf die angebliche Tabuisierung des Judenhasses in der deutschen Gesellschaft und auf die Renaissance des Antisemitismus im öffentlichen Raum.
Die radikale Rechte in Deutschland nach dem 7. Oktober
Nikolai Schreiter und Lars Rensmann: Die radikale Rechte in Deutschland nach dem 7. Oktober: Ein Beispiel des politischen Antisemitismus im postfaktischen Zeitalter. Aachen 2025, 18 Seiten. Kostenloser Download
In der Öffentlichkeit ist die Wahrnehmung weit verbreitet, die deutsche radikale Rechte und insbesondere die Alternative für Deutschland (AfD) habe ihren Antisemitismus durch andere Ressentiments ersetzt und sich zu einer „israelfreundlichen“ oder gar „anti-antisemitischen“ politischen Kraft entwickelt. Die Politologen Lars Rensmann (Professor an der Universität Passau) und Nikolai Schreiter (wissenschaftlicher Mitarbeiter) und analysieren in dem Artikel vor diesem Hintergrund rechtsradikale Reaktionen auf die Massaker vom 7. Oktober 2023 und fragen nach der Bedeutung von (israelbezogenem) Antisemitismus in der radikalen Rechten. Dabei kristallisiert sich ein komplexes Bild postfaktischer Positionen heraus, bei denen oberflächlich pro-israelische Positionen existieren, diese aber weitgehend von israelfeindlichen und antisemitischen Ideologemen überlagert werden. Auch die pro-israelischen Positionen erscheinen von einer projektiven Sicht auf Israel und den Nahen Osten bestimmt, die den jüdischen Staat für eigene ethnozentrische Politikvorstellungen, Ideologien und Ressentiments instrumentalisieren.
Wie die extreme Rechte Geschichte und Demokratie zerstört.
Volker Weiß: Das Deutsche Demokratische Reich. Wie die extreme Rechte Geschichte und Demokratie zerstört. Stuttgart 2025, 288 Seiten, 25 Euro.
Der Historiker und Publizist Volker Weiß bietet eine tiefgehende und historisch fundierte Zeitdiagnose zur AfD und der extremen Rechten. Er enthüllt, wie die extreme Rechte von dem Ziel getrieben ist, den westlichen Liberalismus zu überwinden und eine alternative Geschichtsdeutung durchzusetzen.
Er analysiert die rechten Gegenerzählungen und seziert die neurechte Szene. Die extreme Rechte spricht von einem geistigen Bürgerkrieg, der in Deutschland tobe – und den sie gleichzeitig anheizt. In diesem Kampf geht es um nichts weniger als um die Deutungshoheit über Geschichte und Gegenwart, um Deutschland aus dem Westen herauszulösen. Die widersprüchlichen, verklärenden und oft schrillen Geschichtskonstruktionen der extremen Rechten weisen auf ein Ziel: ein „Deutsches Demokratisches Reich“ als Synthese aus den autoritären Systemen der deutschen Vergangenheit.
Volker Weiß erklärt diese neuen Methoden der kulturellen Kriegsführung vor allem in den Feldern der Geschichts- und Geopolitik. Er zeigt die aktuelle Entwicklung des neuen rechten Denkens auf. Die wichtigsten Strömungen und Akteure werden hierbei untersucht. Der Autor weitet hierbei den Blick hin auf vergleichbare Aktionen der rechten Milieus in Russland und den USA.
Armin Mohler und die „Neue Rechte“ in der Bundesrepublik
Maik Tändler: Armin Mohler und die intellektuelle Rechte in der Bonner Republik. Göttingen 2025, 468 Seiten, 38 Euro.
Auch zwei Jahrzehnte nach seinem Tod gilt Armin Mohler noch immer als Vordenker der Neuen Rechten in Deutschland. Der 1920 in der Schweiz geborene Publizist inszenierte sich nach 1945 als Erbwahrer jenes in der Weimarer Republik grassierenden Radikalnationalismus, den er unter dem Begriff der „Konservativen Revolution“ in die Bundesrepublik hinüberzuretten versuchte. Damit avancierte er zeitweilig zu einer der einflussreichsten Stimmen am rechten Rand des politischen Spektrums.
Der Historiker und wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte München–Berlin Maik Tändler rekonstruiert die Geschichte der rechtsintellektuellen Netzwerke um Mohler, ihre Sammlungs- und Mobilisierungsversuche unter den Bedingungen einer sich schnell wandelnden politischen Öffentlichkeit und ihr Verhältnis zum weiteren Feld eines sich liberalisierenden Konservatismus. Die Herausbildung einer „Neuen Rechten“ seit den 1970er Jahren erweist sich dabei weniger als Formwandel des „alten“ Rechtsextremismus der frühen Bundesrepublik, sondern vielmehr als Reaktion auf die langfristige und nicht immer geradlinige Entmischung von liberaldemokratischem Konservatismus und antiliberalem Rechtskonservatismus.
Im TV
Jung und gewaltbereit: Wie gefährlich ist die Neonazi-Jugend?
Rechtsextreme Straftaten erreichten im Jahr 2024 einen neuen Höchststand. Darunter sind brutale Gewalttaten, die sich gegen politische Gegner:innen richten. Wer sind die oft sehr jungen Täter:innen? Seit vergangenem Sommer entstehen überall in der Bundesrepublik neue rechtsextreme Jugendgruppen. Sie nennen sich „Jung & Stark“, „Deutsche Jugend Voran“ oder „Der Störtrupp“. Ihre Mitglieder sind teilweise minderjährig, bestens vernetzt und oft extrem gewaltbereit. Für diesen Beitrag sprachen die Reporter Julius Geiler und Max Neidlinger mit Rechtsextremismus-Expert:innen, Verfassungsschutz, Szene-Aussteiger:innen, aktiven Neonazis und ihren Familienmitgliedern. Monatelang recherchierten sie in geschlossenen WhatsApp-Gruppen, lasen in Chats mit und versuchten die meist anonymen Mitglieder der Gruppen zu identifizieren.
Hier geht es zum Beitrag in der ZDF-Mediathek
Das Ende vom „Königreich Deutschland“
Peter Fitzek nannte sich selbst „König von Deutschland“ und gründete 2012 einen Fantasiestaat mit Pässen, Währung, Bank und Krankenversicherung. Hinter der schrulligen Fassade ging es aber um viel mehr – um die Erschaffung eines Gegenstaates, um Volksverhetzung, Antisemitismus und mutmaßlich kriminelle Geschäfte. Dem hat der Rechtstaat ein Ende gesetzt. Am 13. Mai verbot das Bundesinnenministerium die Gruppierung um den gelernten Koch. Er und drei weitere Mitglieder wurden festgenommen.
Darüber informiert dieser MDR-Bericht
Masterplan – Das Potsdamer Treffen und seine Folgen
Im November 2023 trafen sich rechte Vordenker:innen, Politiker:innen und Unternehmer:innen im in Potsdam hinter verschlossenen Türen. Wochen später veröffentlichte das Medienhaus Correctiv die brisanten Inhalte dieser Konferenz. Die Enthüllung schlug hohe Wellen. Es kam zu (Groß-)Demonstrationen in ganz Deutschland. Besonders über ein Wort, das bis dahin kaum jemand kannte, wurde diskutiert: „Remigration“. Der Dokumentarfilmer Volker Heise erzählt die Geschichte des Potsdamer Treffens faktenreich und unaufgeregt. Er bringt die Stimmen derer zusammen, die Teil des Treffens waren, und derer, die es aufgedeckt haben.
Hier geht es zur Reportage in der ARD-Mediathek
Im Radio
Kehren die Baseballschlägerjahre zurück?
Kehren die „Baseballschlägerjahre“, wie die Zeiten exzessiver rechter Gewalt in den 1990er inzwischen historisierend genannt werden, zurück? Darüber gibt es eine breite soziologische Fachdebatte, wie auch über die neue Gewaltbereitschaft junger Neonazis. Im vergangenen Jahr haben sich verstärkt rechtsextreme Jugendgruppen gegründet. Ihre Namen sind „Jung und Stark“ oder „Deutsche Jugend voran“. In diesem Beitrag gibt David Begrich von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus in Magdeburg Auskunft dazu.
Hier geht es zum Gespräch in der ARD-Audiothek
Im Jugendclub mit Beate Zschäpe – Was Jugendarbeit kann und was nicht
Heike Radvan ist Erziehungswissenschaftlerin und Rechtsextremismusforscherin am Institut für Rechtsextremismusforschung der Universität Tübingen. In ihrem einführenden Vortrag geht sie den Fragen nach dem Entstehen extrem rechter Orientierungen bei Jugendlichen nach. Dieses komplexe Thema stellt sich anhand verschiedener Erklärungsansätze und Theorien dar. Grundsätzlich spielen bei rechter Radikalisierung von Jugendlichen soziale, politische und psychologische Faktoren eine Rolle. In der politischen Bildungsarbeit ist es wichtig, diese vielfältigen Ursachen zu verstehen, um wirksame Präventions- und Bildungsmaßnahmen zu entwickeln. Dabei sollte stets reflektiert werden, welche Begrenzungen die Ansätze haben, um niemanden zu stigmatisieren, sondern vielmehr aufklärend und unterstützend zu wirken. Geschlechterreflektierende Perspektiven ergänzen diese Überlegungen, indem sie aufzeigen, wie Geschlechterrollen und -bilder die Entstehung und Verbreitung extrem rechter Orientierungen beeinflussen können. Ziel der Bildungsarbeit ist es, Menschen zu befähigen, extrem rechte Einstellungen zu hinterfragen und alternative, inklusive Perspektiven zu entwickeln.
Hier geht es zum Beitrag in der ARD-Audiothek
Gewalt und Antisemitismus – Rechtsextremismus in der Bundesrepublik
Die Entwicklung rechtsextremer Gruppen und Ideologien in der Bundesrepublik Deutschland wurde von unterschiedlichen Themen und Einflüssen geprägt. Es gibt jedoch zwei Phänomene, die durchgängig zu beobachten sind: Antisemitismus und Gewalt. Das sagt Niklas Krawinkel. Er ist Historiker und forscht zur Geschichte des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik seit 1945. In seinem Vortrag schildert Krawinkel, wie sich rechte Gewalt in der Bundesrepublik entwickelte und sich dabei mit Antisemitismus verband.