19. Juni 2024

Jüdisches Kulturgut bewahren – Grabpflege und Politische Bildung auf dem Friedhof Ilandkoppel

Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V

Der jüdische Friedhof Ilandkoppel in Hamburg ist ein ganz besonderer Ort. Das heute etwa 12 Hektar große Areal stammt noch aus einer Zeit, als die jüdische Gemeinde Hamburg mit rund 20.000 Mitgliedern zu den größten jüdischen Gemeinden in Deutschland zählte. 1883 wurde der Friedhof eröffnet. Auf seinem Gelände befinden sich heute unter anderem eine große Trauerhalle und ein Mahnmal für die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordeten Juden. Es ist heute der einzige Friedhof in Hamburg, wo Menschen nach jüdischem Ritus bestattet werden.

In mehrfacher Hinsicht ist der jüdische Friedhof Ilandkoppel einzigartig. Dort befinden sich wichtige Zeitzeugnisse aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde. Eine weitere Besonderheit: auf dem Gelände befindet sich ein jüdischer Soldatenfriedhof. Der Ehrenfriedhof für die Kriegsgefallenen der Deutsch-Israelitischen Gemeinde zu Hamburg ist in seiner Art und Beschaffenheit ein in Deutschland einzigartiger Ort. Nirgendwo sonst gibt es ein Areal, das von vornherein ausdrücklich nur zu dem Zweck angelegt wurde, die Gebeine von jüdischen Soldaten aufzunehmen. Nach einer Ausschreibung durch die jüdische Gemeinde Hamburg, wurde das Areal von den beiden jüdischen Architekten Fritz Block und Ernst Hochfeld gestaltet. Die Arbeiten waren im Jahr 1922 abgeschlossen. Auf dem Areal liegen 85 Hamburger Soldaten jüdischen Glaubens, die im Ersten Weltkrieg zu Tode kamen. Hinzu kommen weitere 70 Hamburger, die als ehemalige Kriegsteilnehmer in späteren Jahren noch auf dem Soldatenfriedhof ehrenvoll bestattet wurden. Die Namen mehrerer hundert weiterer Hamburger Soldaten jüdischen Glaubens, die an der Front starben und vor Ort bestattet wurden, sind auf dem Gelände auf gesonderten Stelen verewigt. Weitere Kriegstote, darunter eine ganze Reihe KZ-Häftlinge, befinden sich auf dem weiten Areal verteilt.

Der jüdische Friedhof Ilandkoppel hat die Zeit des Nationalsozialismus trotz einiger Bombenschäden relativ gut überstanden, doch in den folgenden Jahrzehnten begann ein schrittweiser Verfall. Dadurch, dass die Angehörigen ermordet wurden oder geflohen waren, gab es niemanden mehr, der sich der tausenden Gräber auf den unterschiedlichen Gräberfeldern annehmen konnte. Der ursprünglich völlig unbewachsene Friedhof verwandelte sich in den auf den Zweiten Weltkrieg folgenden Jahrzehnten alleine durch den Flugsamen benachbarter Wald- und Parkanlagen zu einem dicht bewachsenen Waldgelände. Bäume wuchsen irgendwann überall auf und zwischen den Gräbern. Das Wurzelwerk zerstörte die Grabanlagen und warf ganze Grabsteine um. Ganze Grabareale verschwanden unter Schichten von Laub oder im dichten Gestrüpp. Die wenigen Freiwilligen der jüdischen Gemeinde konnten vor Ort nur wenig gegen diese Entwicklung tun. Schließlich stellten Bund und Land im Jahr 2019 rund 5 Millionen Euro zur Sanierung des Friedhofes bereit. Diese Summe reicht aber nicht aus. Alleine die baulichen Schäden der Trauerhalle bedürfen umfassender Renovierungsarbeiten.

2021 verabredete der für den Friedhof verantwortliche Verein der jüdischen Gemeinde, Chewra Kadischa Hamburg e.V., der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Hamburg und das Landeskommando der Bundeswehr in Hamburg eine gemeinsame Kooperation. In einem Jahr, in dem überall in Deutschland an 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland erinnert wurde, beschlossen die drei Institutionen auf Worte auch Taten folgen zu lassen.

Bereits im August 2021 kam es zu einem ersten Grabpflegeeinsatz von Soldatinnen und Soldaten aus Hamburg und Schleswig-Holstein, die zusammen mit Angehörigen der jüdischen Gemeinde vorsichtig damit begannen, die Grabflächen auf dem Friedhof wieder freizulegen. Unter sorgsamer Anleitung von Friedhofsmitarbeitern führten die Soldatinnen und Soldaten im Jahr 2021 insgesamt acht Pflegeeinsätze durch, wobei auch örtliche Anwohner aus Hamburg mithalfen. Noch vor Ort dankten der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Herr Philipp Stricharz und der Landesrabbiner Herr Shlomo Bistritzky, den Soldatinnen und Soldaten, wie auch dem Volksbund für die tatkräftige Unterstützung. Die Landesvorsitzende des Volksbundes in Hamburg, Frau Karen Koop, kündigte an, dass die Sanierungsarbeiten auf dem jüdischen Friedhof auch in den kommenden Jahren durch den Landesverband begleitet und Grabpflegeeinsätze der Bundeswehr auch weiterhin durch die Hamburger Geschäftsstelle koordiniert werden. Im Jahr 2022 folgten weitere Pflegeeinsätze durch die Bundeswehr und Bundesfreiwillige des THW. 2023 schloss sich die Hamburger Polizei dem Projekt an. Seitdem nehmen jedes Jahr neue Klassen der Hamburger Polizeiakademie an dem Projekt teil. Ebenso hat die Bundeswehruniversität den Einsatz auf dem jüdischen Friedhof fest in ihr Programm aufgenommen. Der neue Militärrabbiner der Bundeswehr und der Bund jüdischer Soldaten (in der Bundeswehr) wirken an dem Projekt mit.

Dieses Projekt ist ein Projekt von großer Symbolkraft und ein Projekt mit Zukunftscharakter. Es ist bewusst langzeitlich ausgelegt und bindet öfters auch einmal Schülergruppen von Hamburger Schulen mit ein. Es geht nicht nur um den Schutz und Erhalt wichtigen jüdischen Kulturgutes, sondern vor allem um den interkulturellen Austausch und Dialog. Für viele der jungen Bundeswehr- und Militärangehörigen ist dieser Termin eine erste, unmittelbare Begegnung mit dem Judentum. In der gemeinsamen Arbeit, aber vor allem auch in dem darauffolgenden Teil der Politischen Bildung, stehen Dialog und Austausch im Vordergrund. Es gibt keine Vorträge, sondern eher eine Mischung aus Lehrgespräch und offenem Dialog. Manchmal geht es um das Thema Antisemitismus, manchmal aber auch um ganz einfache Fragen, etwa zum jüdischen Alltagsleben. Gerade für die Hamburger Polizeischüler, die hinterher ja oftmals in ihrem Dienst jüdische Einrichtungen schützen, ist dieser Austausch eine wertvolle Erfahrung.

Auch in diesem Jahr hat es bereits vier Pflegeeinsätze gegeben. Mindestens acht weitere sind für dieses Jahr geplant.

Kontakt:
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.
Dr. Christian Lübcke (Landesgeschäftsführer)
Landesgeschäftsstelle Hamburg
Brauhausstraße 17
22041 Hamburg

Tel.: 040/259091 | Email

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