Gedrucktes
Neutralitätsgebot
Leon A. Brandt: Extrem neutral? Verfassungs-, Sozial- und Datenschutzrecht: Anforderungen und Potenziale für politische Bildung, Extremismusprävention, Distanzierungs- und Ausstiegsarbeit mit rechtsextremen Kindern und Jugendlichen. Berlin 2022.
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Das sogenannte politische Neutralitätsgebot führt in der schulischen und außerschulischen Bildung regelmäßig zu Verunsicherung: Was bedeutet dieses Gebot für den Umgang mit diskriminierenden und menschenfeindlichen Äußerungen? Auf welcher rechtlichen Grundlage können Schulen und Bildungsträger einen Projekttag gegen Rechtsextremismus durchführen? Wie kann der Umgang mit Parteien, die den eigenen Zielsetzungen widersprechen, in der politischen Bildungsarbeit aussehen? Dürfen sie von Veranstaltungen ausgeladen werden? Diese und weitere Fragen behandelt Leon A. Brandt in seiner Rechtsexpertise, die sich ausführlich mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen des politischen Neutralitätsgebots auseinandersetzt.
Leipziger Autoritarismus Studie 2024
Oliver Decker, Johannes Kiess, Ayline Heller, Elmar Brähler (Hrsg.): Vereint im Ressentiment. Autoritäre Dynamiken und rechtsextreme Einstellungen. Leipziger Autoritarismus Studie 2024. Gießen 2024. 274 S., 26,90€.
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Seit 2002 analysieren Wissenschaftler*innen der Universität Leipzig die Entwicklung autoritärer und rechtsextremer Einstellungen in Deutschland zuerst als Mitte-Studie und seit 2018 als Autoritarismus-Studie. Die Autoritarismus-Studie 2024 analysiert insbesondere Antisemitismus, Sexismus und Antifeminismus, Demokratieverdrossenheit und die sozialen Bedingungen der Ressentiments.
Zentrale Ergebnisse der Studie sind:
- Die Zufriedenheit mit der Demokratie in Deutschland nimmt ab. In den ostdeutschen Bundesländern ist die Zufriedenheit mit der Demokratie so gering wie zuletzt 2006.
- Verdrossenheit mit den Parteien und Politiker:innen und fehlende Möglichkeiten der Partizipation wurden am häufigsten genannt.
- Im Westen Deutschlands hat die Zustimmung zu ausländerfeindlichen Aussagen deutlich zugenommen und nähert sich den Einstellungen im Osten an. Ausländerfeindlichkeit hat sich damit zu einem bundesweit geteilten Ressentiment entwickelt.
- Antiamerikanismus, Antikapitalismus und Trans*feindlichkeit wurden neu untersucht. Vor allem letztere ist weit verbreitet.
- Die Studie zeigt einen Anstieg der rechtsextremen Einstellung in Deutschland.
Zum Einlesen: Das zweite Kapitel stellt die zentralen Ergebnisse der diesjährigen Befragung vor und vergleicht sie mit vorherigen Erhebungen.
Bundesdeutscher Rechtsterrorismus bis 1990
Darius Muschiol: Einzeltäter? Rechtsterroristische Akteure in der alten Bundesrepublik. Göttingen 2024, 486 S., 42€.
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Der Rechtsterrorismus wurde in Deutschland jahrzehntelang als Problem für die innere Sicherheit unterschätzt. Das Bild vom verwirrten Einzeltäter prägte den Diskurs. Erst die Aufdeckung der Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) machte Politik und Gesellschaft die unmittelbare Gefahr bewusst. Auch die bundesdeutsche Zeitgeschichte befasste sich lange kaum mit dem Rechtsterrorismus, obwohl dessen Geschichte bis in die frühen 1960er Jahre zurück reicht.
Darius Muschiol untersucht anhand vielfältiger Akten und Dokumente den Entstehungs- und Entwicklungsprozess des bundesdeutschen Rechtsterrorismus bis 1990. Er blickt auf die Radikalisierungsprozesse der Rechtsterroristen, deren Vernetzungen, ihr Agieren und die Bewertung dieser Gewalt durch Politik, Justiz und Öffentlichkeit. Zudem stehen die jeweiligen Feindbilder, die gesellschaftliche Einbettung des Terrorismus und dessen Kommunikationsstrategien im Vordergrund. Im Blick stehen dabei auch bekannte Gruppierungen und Ereignisse wie die „Wehrsportgruppe Hoffmann“ oder das Oktoberfestattentat 1980, vor allem aber zahlreiche bislang kaum oder unbekannte Akteure. Ebenso zeigt der Autor die gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Reaktionen. Dabei arbeitet er insbesondere heraus, dass es sich eben nicht um Einzeltäter handelte, sondern dass gerade diese Sicht die Gewalt verharmloste. Darius Muschiol ergänzt damit den Blick auf die Demokratiegeschichte der Bundesrepublik wesentlich.
Konservative Krisennarrative
Felix Schilk: Die Erzählgemeinschaft der Neuen Rechten. Zur politischen Soziologie konservativer Krisennarrative. Bielefeld 2024, 438 S., 46€.
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Was ist rechte Ideologie? Anknüpfend an Karl Mannheims Studie zum konservativen Denkstil zeigt Felix Schilk, dass es ein spezifisches Muster gibt, wie rechte Akteure Geschichte und Gesellschaft erzählen: Mensch und Welt sind schon immer entzweit, die dekadente Gegenwart ist ein andauernder Verfallsprozess und in der Zukunft droht die unvermeidliche Apokalypse. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Neue Rechte, die diese konservativen Krisennarrative für ihren Kampf um Diskursverschiebungen und kulturelle Hegemonie nutzt. Da sie ihre Identität aus der Wiederholung der immer gleichen Untergangsballaden schöpft, ist sie als Erzählgemeinschaft zu verstehen.
Medienpädagogische Interventionen im Feld der Neuen Rechten.
Fabian Kaufmann und Lena Sierts (Hrsg.): Medienpädagogische Interventionen im Feld der Neuen Rechten. Theoriebasierte Analysen, praktische Methoden und Reflexionen. Opladen 2024, 124 S., 22,90€
Wie ist es möglich, online in ein Feld zu intervenieren, welches gar nicht adressiert werden will? Die Autor*innen dieses Sammelbands setzen sich mit der Neuen Rechten auseinander und analysieren ihre Strukturen, Inhalte und Strategien in Hinblick auf die genannte Frage. Denn: Die Neue Rechte ist bisher kaum im Blick pädagogischer und bildungspolitischer Angebote. Angesichts dieser Leerstelle hat das Projekt Prisma verschiedene Handlungsoptionen im Feld praktisch erprobt. Wichtige Erfahrungswerte werden in diesem Buch verfügbar gemacht.
Das Internet und seine unterschiedlichen Sozialräume stellen einen wichtigen Teil im Alltag junger Menschen dar, die nicht losgelöst von politischen Auseinandersetzungen und gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen sind – im Gegenteil: Ausgrenzende und menschenfeindliche Tendenzen bilden sich auch dort stark ab. Eine neurechte Agitation junger Menschen im vorpolitischen Raum spielt sich primär innerhalb Sozialer Medien ab. Über Bilder und kurze Videos wird dort ein Life-Style, losgelöst von Klischees der „klassischen“ extremen Rechten, verkauft und für Adressat*innen leichter konsumierbar gemacht. Pädagogische Ansätze sind bislang nicht auf eine Auseinandersetzung mit diesen strukturell gut integrierten Menschen und ihrem sich als modern inszenierenden Auftreten ausgerichtet. Das Feld zu vernachlässigen kann deutliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Der Aufstieg der Rechten in Krisenzeiten
Daniel Mullis: Der Aufstieg der Rechten in Krisenzeiten – Die Regression der Mitte. Stuttgart 2024, 336 S., 22€, ISBN: 978-3-15-011469-8.
Warum sind rechte und rechtsextreme Bewegungen in Krisenzeiten so erfolgreich? Mit welchen Strategien überzeugen sie die Mehrheit davon, dass die Verteidigung der eigenen Privilegien wichtiger ist als Solidarität oder Verzicht? Der Sozialwissenschaftler Daniel Mullis untersucht, für welche Botschaften die gesellschaftliche Mitte empfänglich ist. In zahlreichen Gesprächen arbeitet er die bundesdeutsche Befindlichkeit unserer Gegenwart heraus. Und er fragt danach, wie progressive Politik in unsicheren Zeiten gelingen kann.
Dieses Buch kann jetzt bei der Bundeszentrale für politische Bildung für 4,50€ bestellt werden: Link
Im TV
Jamel – Lauter Widerstand
Das kleine Dorf Jamel im Norden von Mecklenburg-Vorpommern gilt als rechtsextreme Hochburg. Hier zogen in der Vergangenheit gezielt Neonazis zu. Mit rechten Parolen und Symbolen beanspruchen sie ganz offen die Deutungshoheit im Dorf. Mittendrin: das Künstler-Ehepaar Birgit und Horst Lohmeyer. Auf der Suche nach ländlicher Idylle sind die Lohmeyers 2004, die Situation dort unterschätzend, in den Ort gezogen, wo sie auf rechtsextreme Denkart und Ablehnung bis hin zur Bedrohung treffen. Nachdem die Scheune der Lohmeyers von Unbekannten angezündet wird, erhalten sie und Ihr Festival „Jamel rockt den Förster“ Unterstützung aus der deutschen Musikszene. Auf die Toten Hosen folgen in den nächsten Jahren Bands und KünstlerInnen wie Beatsteaks, Kraftklub, Samy Deluxe, Die Ärzte, Antilopen Gang, Casper, Marteria, Juli, Sportfreunde Stiller, Olli Schulz, Herbert Grönemeyer, die Fantastischen Vier und viele mehr. Der Film begleitet die Lohmeyers und ihr Festival seit 2015 und erzählt vom Kampf eines leisen Ehepaars und der Kraft lauter Musik.
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Hoyerswerda ’91 – Eine Stadt, die Gewalt und ihre Aufarbeitung
Im September 1991 kommt es scheinbar aus dem Nichts zu einer öffentlichen Hetzjagd in Hoyerswerda. Eine stetig wachsende Menge aus „einfachen Bürger*innen“ und Neo-Nazis belagert eine ganze Woche lang das Wohnheim von DDR-Vertragsarbeitern aus Mosambik und Vietnam und die zentrale Unterkunft für Asylbewerber aus Osteuropa. Die Menge wirft Fensterscheiben ein und lässt Brandsätze explodieren. Vor den Augen der Öffentlichkeit verschanzen sich die Angegriffenen in Todesangst, die Einsatzkräfte der Polizei sind überfordert, die Bilder der applaudierenden Menge gehen um die Welt. Die Behörden sehen keinen anderen Ausweg, als die Ausländer aus der Stadt zu evakuieren. 32 Menschen werden verletzt, 82 festgenommen, nur vier verurteilt. In extrem rechten Kreisen wird Hoyerswerda im Anschluss an die Ausschreitungen als erste „ausländerfreie“ Stadt bezeichnet.
Es ist eine Zäsur für Deutschland und der Auftakt zu einer Welle extrem rechter Gewalt Anfang der 90er Jahre. Der Film rekonstruiert das desaströse Krisenmanagement der sächsischen Behörden vor dem Hintergrund der damaligen Asyldebatte. Bereits im Frühjahr 1991 waren die Vorboten der sich im Herbst bahnbrechenden Gewaltwelle unverkennbar.
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Die Polizei und der Rassismus – Alles nur Einzelfälle?
Immer wieder werden bundesweit Polizist*innen auffällig, die in Chatgruppen verfassungsfeindliche Symbole posten und Migrant*innen diffamieren. Selten werden solche Vorfälle gemeldet, obwohl alle Polizist*innen einen Eid geschworen haben, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verteidigen. Innenminister und Polizeigewerkschaft sprechen von „Einzelfällen“.
Der Film geht auf Spurensuche und trifft Insider, die die offiziellen Beteuerungen in Frage stellen. Zum Beispiel berichtet ein Kriminalhauptkommissar von bewusstem „Racial Profiling“, das eigentlich gesetzlich verboten ist. Ein anderer Polizist mit Migrationsgeschichte erzählt erstmals offen vor einer Kamera im deutschen Fernsehen von wiederkehrenden rassistischen Diffamierungen und Vertuschungsversuchen durch eine Vorgesetzte. Ein Polizeidirektor kritisiert die mangelhafte Fehlerkultur innerhalb der Hierarchien. Die Doku untersucht auch eine zunehmende Nähe einiger Polizistinnen und Polizisten zur AfD. Insider sprechen von einem spürbaren „Rechtsruck“ unter den Kolleg*innen.
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Warum verbrannte Oury Jalloh?
Oury Jalloh, ein Asylbewerber aus Sierra Leone, verbrennt am 7.1.2005 im Polizeigewahrsam in Dessau. Der an Händen und Füßen Gefesselte habe sich selbst angezündet, behaupten die Beamten. Fast 20 Jahre lang scheitert die Justiz trotz mehrfacher Anläufe daran, den Fall aufzuklären – und macht ihn damit zum Politikum.
Für die einen ist der Fall ein unfassbarer Polizei- und Justizskandal, für die anderen eine gewaltige Verschwörungstheorie. Was geschah am 7. Januar 2005 im Polizeirevier Dessau?
Fest steht nur: die Feuerwehr findet einen bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Mann in Zelle Nr. 5. Seitdem sorgt der Tod Oury Jallohs für Entsetzen und anhaltende Diskussionen. Nun wirft die sechsteilige Serie einen tiefgehenden Blick auf die Ereignisse dieses Falls.
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Im Radio
Hamburgs Baseballschlägerjahre
Baseballschlägerjahre – das Schlagwort steht für eine Zeit rechten Alltagsterrors in den 1990er-Jahren, vor allem in Ostdeutschland. Aber wie sah es ein Jahrzehnt zuvor im Westen aus? In diesem Feature wird ein Blick auf Hamburg geworfen. Eine Spur rechter Gewalt führt durch das Hamburg der 80er-Jahre. Acht Morde, zahlreiche Brandanschläge, zahllose Überfälle und schwere Körperverletzungen – die Liste rassistischer Gewalttaten in der vermeintlich so weltoffenen westdeutschen Metropole ist lang. Sogar Schulen mussten unter Polizeischutz gestellt werden. Migrantinnen und Migranten begannen sich in diesem Jahrzehnt zu organisieren und zu wehren.
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Springerstiefel – Die 90er sind zurück
Partyhits mit Nazi-Sprüchen, rechtsextreme Parolen, rohe Gewalt. In den letzten Jahren ist etwas passiert in Ostdeutschland. Immer öfter sagen die Menschen dort: Die 90er sind zurück.
In der zweiten Staffel von „Springerstiefel“ reisen Hendrik Bolz und Don Pablo Mulemba erneut durch ihre Heimat. Sie treffen auf eine Zittauerin, deren Sohn rechtsextrem geworden ist. Sie lernen die Tochter eines Vertragsarbeiters aus Vietnam kennen, die in den Nullerjahren in Cottbus mit Neonazis zurechtkommen musste. Und sie sprechen mit einem Tunesier, der 2018 Opfer der rassistischen Hetzjagden in Chemnitz wurde.
Was ist hier passiert seit der Nachwendezeit? Warum werden so viele Jugendliche wieder rechtsextrem? Und war die Gewalt überhaupt jemals weg?
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Rechtsextreme vor Gericht – Prozessbeobachtungen aus Saal 165 C
Marie Schwesinger ist Theaterregisseurin. Sie hat mit Gerichtsprozessen eigentlich wenig am Hut. Aber dann sitzt sie Ende November 2020 im Zuschauerraum von Gerichtssaal 165 C des Frankfurter Oberlandesgerichts. Eigentlich nur um zu schauen, wie so ein Gerichtsprozess funktioniert. Dann aber bleibt sie zwei Jahre lang, verfolgt Prozess um Prozess, fängt an zu recherchieren. Zu rechtem Terror, zu Netzwerken in Polizei und Bundeswehr, zu historischen Verbindungslinien bis zurück in die Weimarer Republik.
Unmerklich rückt das Thema immer näher an sie heran. Vom Mord an Walter Lübcke, dem Angriff auf Ahmed I., den Plänen des Soldaten Franco A. bis zu den Drohbriefen des sogenannten NSU 2.0. Alle Gerichtsprozesse finden direkt in ihrer Nachbarschaft, in Frankfurt am Main, statt und irgendwann wird ihr klar: Ich bin hier mehr als nur Zuschauerin, denn der Gerichtssaal schaut zurück!
Die vierteilige Doku-Serie erzählt von dem Erkenntnisprozess, dass rechtsextreme Gewalt nichts ist, was nur „die anderen“ betrifft. Dass sich nicht nur die Justiz mit diesem Gedankengut, den Netzwerken und den Taten beschäftigen sollte, sondern dass uns die rechtsextremen Strukturen, die sich seit Jahrzehnten durch die Gesellschaft ziehen, alle etwas angehen.
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„Reichsbürger“ – Nicht „skurril“, sondern immer schon rechtsextrem
Die „Reichsbürger“ werden oft als harmlose Spinner belächelt. Ein einzigartiger Tonmitschnitt aus dem Jahr 1975 aber zeigt: Von Beginn an zog sich durch das Milieu eine extrem rechte, gewaltaffine Spur.
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„Reichsbürger“ – Sie träumen vom Reich. Aber von welchem?
Die Bundesrepublik sei kein souveräner Staat und noch immer von Alliierten besetzt: Das glauben sogenannte Reichsbürger. Sie deuten die Geschichte um und sehnen sich nach einem Deutschen Reich. Das ist nicht nur bizarr, sondern auch gefährlich.