Gedrucktes
Die neue Mitte-Studie
Andreas Zick / Beate Küpper / Nico Mokros: Die distanzierte Mitte. Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2022/23. Hg. für die Friedrich-Ebert-Stiftung v. Franziska Schröter. Verlag J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 2023, 424 S., 17,00 €, ISBN 978-3-8012-0665-9
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Die Pandemiefolgen sind noch nicht bewältigt, die Inflation hoch, die Klimakrise immer virulenter, da entstehen mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und dessen Folgen für Sicherheit und Energieversorgung weitere Herausforderungen für die »Mitte«. Unsicherheiten und Verteilungskonflikte bieten das Einfallstor für antidemokratische Positionen und rechtsextreme Ideologien, wie auch zur Abwertung der »Anderen«.
Die Demokratie, ihre Grundprinzipien, Abläufe und Institutionen werden von einigen zunehmend mit Distanz betrachtet. Zugleich geht eine demokratiefeste »Mitte« auf klare Distanz zu den Feinden der Demokratie. Will und kann sie diese Distanz überbrücken?
Die neue Friedrich Ebert Stiftung-»Mitte-Studie« 2022/23 beleuchtet rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen und Hintergründe und regt zur Debatte an.
Antisemitismus in der postnazistischen Migrationsgesellschaft.
Salome Richter, Dorothea Seiler, Marc Seul, Luca Zarbock, Andreas Borsch, Luisa Gärtner, Lennard Schmidt (Hrsg.): Antisemitismus in der postnazistischen Migrationsgesellschaft. Eine interdisziplinäre Bestandsaufnahme. Verlag Barbara Budrich, Opladen u.a. 2024, 230 S., 54,90€, ISBN: 978-3-8474-3021-6
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Ob im Klassenzimmer oder auf dem Sportplatz, in der Sozialen Arbeit oder der deutschen Erinnerungskultur – Antisemitismus ist immer noch trauriger Alltag in der postnazistischen Migrationsgesellschaft Deutschlands. Die Autor:innen beleuchten Kontinuitätslinien und aktuelle Entwicklungen des Antisemitismus in der Bundesrepublik und blicken auf Akteur:innen, Ideologien und die Möglichkeiten von Bildung gegen Antisemitismus.
In der spezifischen Konstellation von postnazistischen ideologischen Kontinuitäten mit rassistischen und antisemitischen Deutungsmustern und gleichzeitig zunehmend (post-)migrantischen Identitäten wird gerade Antisemitismus immer wieder zum Gegenstand von Konflikten um Deutungsmacht und Aushandlungsprozessen. Während die Mehrheitsgesellschaft sich gerne für ihre vermeintlich gelungene Erinnerungskultur feiert und Antisemitismus externalisiert, in dem sie ihn mit dem Prädikat „importiert“ versieht, finden sowohl klassisch wie insbesondere auch israelbezogene antisemitische Narrative überdurchschnittlich großen Anklang in migrantischen Communities. Unabhängig davon, von welcher Gruppe sie gerade angefeindet – oder instrumentalisiert – werden: Für Jüdinnen und Juden in Deutschland ist Antisemitismus alltäglich sichtbar.
Die antisemitischen Phänomene und Diskurse zu benennen und zu analysieren ist Ziel der Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung, die insbesondere Nachwuchswissenschaftler:innen die Gelegenheit bietet, die Ergebnisse ihrer Forschung zum Thema zu präsentieren. Der vorliegende Sammelband ist dabei Auftakt einer Reihe kritischer Auseinandersetzungen mit gegenwärtigen und historischen Erscheinungsformen, Ursachen und Lösungsansätzen des Antisemitismus in der deutschen Gegenwartsgesellschaft. Seine interdisziplinäre Ausrichtung liefert wichtige Anknüpfungspunkte aus diversen Perspektiven.
Biografien extrem rechter Akteur:innen
Gideon Botsch, Christoph Kopke, Karsten Wilke (Hrsg.): Rechtsextrem: Biografien nach 1945. Verlag DeGruyter / Oldenbourg, Berlin/Boston 2023, 485 S., 59,95€, ISBN: 9783111008707
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Der Rechtsextremismus begleitet die Geschichte der Bundesrepublik seit ihren Anfängen. Dazu gehören u.a. Parteien, im Hintergrund arbeitende Kulturorganisationen, Jugendbünde, aber auch militante und terroristische Gruppierungen.
Die Existenz vielfältiger Organisationen und Zusammenschlüsse, ihre inhaltliche Ausrichtung und die Vernetzung untereinander waren und sind in hohem Maß auch durch das Engagement einzelner Akteure und Akteurinnen geprägt. Der Band versammelt biografische Studien zu 24 einschlägigen Protagonistinnen und Protagonisten des bundesdeutschen Rechtsextremismus. Der akteurszentrierte Ansatz vertieft die geschichtswissenschaftlichen Erkenntnisse über diese „besondere politische Kultur” (Peter Dudek/Hans-Gerd Jaschke) in Deutschland.
Die vorgestellten Lebensläufe stehen exemplarisch für unterschiedliche Alterskohorten, Sozialisationsverläufe und politische Ausrichtungen im rechtsextremen Milieu. Gleichzeitig führen sie eindrücklich vor Augen, in welcher Weise politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen die „Erfolgsfähigkeit” der hier vorgestellten Akteurinnen und Akteure mitbestimmten.
Endzeitvorstellungen im Rechtspopulismus
Philipp Rhein: Rechte Zeitverhältnisse. Eine soziologische Analyse von Endzeitvorstellungen im Rechtspopulismus. Campus Verlag, Frankfurt a. M. 2023, S. 401, 45 €, ISBN 9783593517506
Die antidemokratischen Bedrohungen der Gegenwart und ihr sichtbarster Ausdruck, der erstarkte Rechtspopulismus, sind Verarbeitungsformen einer Krise gesellschaftlicher Zeitverhältnisse. Anhand ausführlicher Interviews mit AfD-Wähler:innen zeigt Philipp Rhein, inwiefern im Rechtspopulismus eine kollektive »Verlustwut« der Spätmoderne verarbeitet wird, in der »Normalität« abhandengekommen, Krise zum Dauerzustand und Zukunft zum Bedrohungsszenario geworden ist. AfD-Wähler:innen reagieren nicht mit nostalgischer Vergangenheitsorientierung, sondern mit Endzeitdystopien und Kairos. Das macht den Rechtspopulismus zu einer Bedrohung für die Demokratie: Weil er Symptom einer Zeitkrise unserer Gegenwartsgesellschaft ist, gelingt es ihm trotz oder gerade wegen seiner destruktiven, postfaktischen und konzeptarmen Aufstellung erfolgreich zu sein.
Gender in der „Identitären Bewegung“
Marie Rodewald. Gender in der „Identitären Bewegung“: Inszenierungen in Social Media. Marta Press, Hamburg 2023, S. 320, 58€, ISBN: 9783948731137
Marie Rodewald untersuchte von 2016 bis 2019 die Social-Media-Inszenierungspraxen der rechtsextremen ‘Identitären Bewegung’. Diese Inszenierungen wurden aus vornehmlich zwei Perspektiven analysiert. Erstens liegen der Konzeptionierung der Repräsentationsfiguren Sozialfiguren zugrunde. Diese Perspektive betont die Wechselwirkungen der Repräsentationsfiguren mit ihrer sozialgesellschaftlichen, politischen und medialen Umwelt. Zweitens lieferten die Persona Studies, die die Analyse eines “öffentlichen Ichs” in den Fokus rückt, gewinnbringende Ansätze, um die realen Personen und Mitglieder der ‘Identitären Bewegung’ von ihren markenbildenden Inszenierungen zu trennen und dem Strategischen in den Inszenierungen eine besondere Bedeutung beizumessen.
Rodewald weist nach, wie rechtsextreme Akteurinnen und Akteure ihre Botschaften in den sozialen Medien vermitteln und Geschlecht als Instrument für ihre Propaganda einsetzen. Zahlreiche Illustrationen im Anhang dieser Studie dokumentieren diese zeitgenössischen Inszenierungen.
Verschwörungsideologischen Souveränismus
Jan Rathje: Durch die Krise ins Reich. Postpandemische Entwicklungen von „Reichsbürgern“ und Souveränist:innen in Deutschland. Berlin 2023, S. 64.
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Im neuen CeMAS-Report „Durch die Krise ins Reich“ analysiert Jan Rathje, der auf der BNW-Sitzung im September zum selben Thema referiert hat, wichtige Trends innerhalb des verschwörungsideologisch-souveränistischen Milieus von „Reichsbürgern“ und anderer Gruppen in Deutschland seit der Covid-19-Pandemie. Der Report beschreibt den verschwörungsideologischen Souveränismus als Bestandteil der extremen Rechten in Deutschland mit einer langen antisemitischen Tradition. Das souveränistische Milieu teilt politische Vorstellungen, die auf Ungleichheit abzielen und propagiert antisemitische Weltverschwörungsmythen sowie revisionistische Ideen wie die Wiederherstellung eines Deutschen Reiches. Auch lässt sich feststellen, dass der Resonanzraum des Milieus größer ist, als es die Zahlen der Verfassungsschutzbehörden nahelegen.
Aktuelle Debatten über Antisemitismus im Kulturbetrieb
Institut für Neue Soziale Plastik (Hrsg.): Kunst und Konformismus. Aktuelle Debatten über Antisemitismus im Kulturbetrieb. Eberswalde 2023, S. 120.
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Das Institut für Neue Soziale Plastik, mit dem wir im ersten Halbjahr eine gemeinsame Veranstaltung zum Thema durchgeführt haben, hat diese Publikation herausgebracht. In ihr werden wichtige Debatten über Antisemitismus im Kulturbetrieb der letzten Jahre nachgezeichnet und aus antisemitismuskritischer Perspektive erklärt. Zur Sprache kommen dabei Entwicklungen, Vorfälle und Gruppierungen, die dafür bedeutsam waren und sind. Der Band richtet sich vor allem an Künstler:innen und Mitarbeiter:innen von Kulturinstitutionen, die diese Debatten (noch einmal) nachvollziehen wollen.
Im TV
Einzeltäter
Drei Dokumentarfilme widmen sich den Hinterbliebenen der Opfer der rechtsterroristischen Attentate in München 2016, Halle 2019 und Hanau 2020. Welche Wechselwirkungen gibt es zwischen der Trauerarbeit der Betroffenen und der politischen Deutung der Tat?
München 2016, Halle 2019 und Hanau 2020. Drei extrem rechte Anschläge von sogenannten Einsamen Wölfen: vermeintliche Einzeltäter, die sich scheinbar ohne in klassische extremistische Strukturen eingebunden zu sein, im Internet radikalisieren und im öffentlichen Raum plötzlich zuschlagen. Es sind Geschichten, die mittlerweile die Schlagzeilen dominieren: Der rechte Terror gilt zurzeit laut Verfassungsschutz als größte Bedrohung der Demokratie in Deutschland. Und das, obwohl solche Täter noch bis vor Kurzem oft als psychisch kranke, “verwirrte” Einzeltäter eingestuft wurden und ihnen so ihr Rassismus abgesprochen wurde.
Hier geht es zu den Dokumentarfilmen in der ARD-Mediathek
Hört uns zu! Der Anschlag von Solingen
Am 29. Mai 1993 verbrannten fünf Menschen in Solingen durch einen rassistischen Mordanschlag. Für Regisseur Mirza Odabaşı ist der Anschlag der Punkt, an dem die Angst in sein Leben kam. In Gesprächen u.a. mit Cihan Genç, dessen Schwestern bei dem Anschlag starben, aber auch mit Moderatorin Aminata Belli und dem Grünen-Politiker Cem Özdemir, zeichnet die Dokumentation nach, was wir gerne verdrängen: Rassismus und Hass entstehen nicht im leeren Raum. Solingen 1993, der NSU, Halle oder Hanau passieren nicht irgendwo, sondern genau hier. Was also tun? Wie begegnen wir Rassismus und was muss sich ändern?
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Die Sache mit den Juden
Juden werden von allen Seiten angefeindet und angegriffen. Aber warum? Warum heute? Wie sehen die verschiedenen Formen des antijüdischen Ressentiments aus? Die Reihe erklärt gewollte und ungewollte Mechanismen dieses Vorurteils.
Die vierteilige Dokumentation von Richard Schneider untersucht den „linken“, den „muslimischen“ und den „rechten“ sowie den Antisemitismus „aus der Mitte“ der Gesellschaft.
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Im Radio
Extrem rechts – Der Hass-Händler und der Staat
Seit Jahren verbreitet der Rechtsextremist Sven Liebich Hetze: online und auf der Straße. Er hat aus dem Hass ein Geschäftsmodell gemacht. Immer wieder macht er Menschen zur Zielscheibe. Doch auf hunderte Ermittlungsverfahren folgen nur wenige Urteile. Die Betroffenen verlieren das Vertrauen in den Rechtsstaat. Tun die zuständigen Behörden genug? Kann es sein, dass der Rechtsstaat im Fall dieses Rechtsextremisten an seine Grenzen stößt? Danach fragt “Extrem rechts – Der Hass-Händler und der Staat”.
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Immigration – Der Asylkompromiss 1993
Vor 30 Jahren beschloss der Bundestag den sogenannten Asylkompromiss, der regelt, wer Asyl erhält. Er wurde von scharfen und polemischen Debatten begleitet. In dieser Sendung wird die damalige Diskussion rekonstruiert. Es werden u. a. die Expert:innen Ulrich Herbert, Özlem Özgül Dündar und Anette Treibel-Illian befragt.
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Rechtsextremismus – Warum wir ihn nicht loswerden
In Deutschland hat jeder Zwölfte ein rechtsextremes Weltbild. Das zeigt die aktuelle „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung. Rechte Einstellungen nehmen demnach zu, vor allem unter den 18- bis 35-jährigen, während die politische Mitte schrumpft.