15. Mai 2023

Aktuelle Informationen im Themenfeld extreme Rechte

(Stand: Mai 2023)

Gedrucktes

Wolfgang Kraushaar, Keine falsche Toleranz. Warum sich die Demokratie stärker als bisher zur Wehr setzen muss, Europäische Verlagsanstalt, 602 Seiten, 34,00 €, ISBN (Print) 978-3-86393-142-1; 19,99 €, ISBN (eBook) 978-3-86393-641-9.

Der Neonazismus, so Wolfgang Kraushaar, ist längst noch nicht überwunden und stellt die Demokratie vor neue Herausforderungen. Diese werden nur dann zu bestehen sein, wenn sich Staat und Zivilgesellschaft neu positionieren.

Zwei politische Faktoren prägen diese Herausforderungen: Parlamentarisch ist mit der Alternative für Deutschland (AfD) seit nunmehr fünf Jahren eine starke rechtspopulistische Partei im Bundestag vertreten, die sich offen gegen die liberale Demokratie stellt und die autoritäre Internationale bewundert. Gesellschaftlich hat im Zuge der Anti­Corona­Demonstrationen die radikale Rech­te Einfluss auf eine Massenbewegung gewonnen, die ihr neue machtpolitische Optionen verschafft. Beide Elemente haben die Demokratie gewissermaßen in die Zange genommen.

Dem Autor erscheinen mehrere strukturelle Korrekturen erforderlich, um das Konzept einer ‚wehrhaften Demokratie‘ so zu erneuern, dass die Bundesrepublik besser gegen künftige Angriffe gewappnet ist. Zum einen gilt es, der empirisch vielfach belegten Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Gefährdung der Demokratie nicht mehr in erster Linie von den Rändern der Gesellschaft ausgeht, sondern von ihrer Mitte. Kraushaar plädiert deshalb dafür, die statische Theorie von Extremismus durch eine dynamische der Radikalisierung zu ersetzen. Erst wenn das geschehen ist, wird die zweite deutsche Demokratie besser als bisher in der Lage sein, sich auch in Zeiten einer multifaktoriellen Krise als wehrhaft zu erweisen.

 

Carolin Amlinger, Oliver Nachtwey: Gekränkte Freiheit. Aspekte des libertären Autoritarismus, 480 Seiten, 28,00 € ISBN (Print) 978-3-518-43071-2; ISBN (eBook) 978-3-518-77380-2.

Der libertäre Autoritarismus, so Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey, ist eine Folge der Freiheitsversprechen der Spätmoderne: Mündig soll er sein, der Einzelne, dazu noch authentisch und hochgradig eigenverantwortlich. Gleichzeitig erlebt er sich als zunehmend macht- und einflusslos gegenüber einer komplexer werdenden Welt. Das wird als Kränkung erfahren und äußert sich in Ressentiment und Demokratiefeindlichkeit.

Auf der Grundlage zahlreicher Fallstudien verleihen Amlinger und Nachtwey dieser Sozialfigur Kontur. Sie erläutern die sozialen Gründe, die zu einem Wandel des autoritären Charakters führten, wie ihn noch die Kritische Theorie sich dachte. Die Spätmoderne bringt einen Protesttypus hervor, dessen Ruf nach individueller Souveränität eine Bedrohung ist für eine Gesellschaft der Freien und Gleichen: die Verleugnung einer geteilten Realität.

 

Biwi Kefempom: Femi(ni)zide. Kollektiv patriarchale Gewalt bekämpfen, 296 Seiten, 19,00 €, ISBN (Print) 9783957325525

Seit Sommer 2020 lässt die feministische Vernetzung »Claim the Space« in Wien keinen Femi(ni)zid mehr unbeantwortet und fordert damit kontinuierlich eine öffentliche Auseinandersetzung ein.

Als Teil davon und anknüpfend an feministische Kämpfe in Lateinamerika und der Karibik diskutiert das österreichische Autor*innenkollektiv die Analysen von Femiziden und Feminiziden für den deutschsprachigen Raum. Dabei dient Femi(ni)zid als politischer Begriff der Benennung und Bekämpfung eines breiten Kontinuums patriarchaler Gewalt gegen Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans und agender Personen (FLINTA).

Das Buch thematisiert die strukturellen und intersektionalen Gewaltverhältnisse, die den Morden zugrunde liegen. Die Autor*innen nehmen Bezug auf historische und transnationale Protest- und Erinnerungsformen sowie in diesem Kontext an gestoßene Debatten und diskutierte Begriffe wie Femi(ni)zid-Suizid oder Transizid. Somit werden Möglichkeiten eines kollektiven, solidarischen Kampfes gegen patriarchale Gewalt – nicht trotz, sondern aufbauend auf unterschiedlichen Erfahrungen – ausgelotet.

 

Dominik Hirndorf (Konrad-Adenauer-Stiftung): „Kein Staat, meine Regeln“ – Repräsentative Umfrage zur Verbreitung von Reichsbürger-affinen Einstellungen in der deutschen Bevölkerung, 36 Seiten, kostenloser Download unter: https://www.kas.de/documents/252038/22161843/Kein+Staat%2C+meine+Regeln.pdf/ff69929e-a26f-b199-4188-8645a9add2f6?

Die Studie zeigt, wie weit eine Nähe zum Gedankengut der Reichsbürgerbewegung in der Bevölkerung verbreitet ist und was die Gruppe der Reichsbürger-affinen auszeichnet. Wie steht es um die Akzeptanz von staatlichen Regeln und wie hoch ist das Gewaltpotenzial? Welche Parteianhängerschaft sticht heraus? Die Analyse repräsentativer Umfragedaten und qualitativer Tiefeninterviews gibt Aufschluss über diese Fragen.

Einige Hauptergebnisse unserer Studie sind:

  • Jede*r 20. Deutsche weist Reichsbürger-affine Einstellungen auf. Überdurchschnittlich hoch fällt die Zustimmung bei AfD-Anhänger*innen aus.
  • Bei Einschätzungen zu anderen, an Verschwörungstheorien angelehnte Aussagen sowie ausländerfeindlichen Einstellungen finden sich innerhalb der AfD-Anhängerschaft ebenfalls erhöhte Zustimmungswerte. Damit unterscheiden sich die AfD-Anhänger*innen deutlich von allen anderen Parteianhängerschaften.
  • Reichsbürger-affine Personen leben öfter nach eigenen Regeln und ignorieren die des Staates. Zudem zeichnet sich die Gruppe durch ein sehr niedriges Vertrauen in die Regierung, den Bundestag und die öffentlich-rechtlichen Medien aus. Eine große Mehrheit der Reichsbürger-affinen glaubt, dass geheime Mächte die Welt steuern. Zudem werden Überschneidungen zum Rechtsextremismus deutlich.
  • Unter Reichsbürger-affinen Personen zeigt sich ein deutlich erhöhtes Gewaltpotenzial im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt. Die Zahl der potenziellen Gefährder*innen mit Reichsbürgerhintergrund könnte somit höher ausfallen als bisher vermutet.

 

 

 

Im TV

Der Hitler-Fake – Geschichte einer Jahrhundertfälschung

Von der größten Entdeckung zur peinlichsten Blamage in nur wenigen Tagen: Das ist die Geschichte der „Hitler-Tagebücher“, die das Magazin „stern“ im April 1983 der Öffentlichkeit vorstellte. Das Magazin war auf einen gigantischen Betrug hereingefallen, der auch 40 Jahre später noch Fragen aufwirft: Wer hatte ein Interesse an dieser Geschichtsfälschung? Und was sollte damit erreicht werden? In „Der Hitler-Fake“ sind Fälschungen Kujaus zu sehen, die jenseits des Medienskandals noch ein anderes Licht auf die Tagebücher werfen: Der Holocaust sollte relativiert, Hitler und damit auch das deutsche Volk in der Verantwortung für millionenfachen Mord entlastet werden. (ARD)

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Eine deutsche Partei

Der Dokumentarfilm gibt einen Einblick ins Innere der AfD. Er führt in die Hinterzimmer einer umstrittenen und mit internen Konflikten ringenden Partei. (3Sat)

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Volksvertreter

Über den Zeitraum von 3 Jahren begleitet der Film 4 Bundestagspolitiker der AfD im Bundestag und in ihren Wahlkreisen. Dabei gewähren diese dem Filmemacher einen ungewöhnlichen nahen Einblick in ihre Arbeitsprozesse. (ZDF)

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Tod durch Hass und Hetze – Der Fall Dr. Kellermayr

Am 29. Juli 2022 setzte die oberösterreichische Hausärztin Dr. Lisa-Maria Kellermayr ihrem Leben ein Ende. Monatelang wurde sie von Menschen aus der radikalen Impfgegnerszene bedroht. Per Mail und über soziale Netzwerke erreichten sie Nachrichten, in denen grausame Mordfantasien beschrieben wurden. Sie investierte viel Geld in die Sicherheit ihrer Praxis, musste diese aber letztendlich doch schließen – auch um die Unversehrtheit ihrer Angestellten garantieren zu können – und beging schließlich Suizid. Die Dokumentation „Der Fall Dr. Kellermayr – von Hass und Hetze in den Tod getrieben“ analysiert die Mechanismen, die die Ärztin zur Zielscheibe gemacht haben, beleuchtet die Szene der Impfgegner*innen und Corona-Leugner*innen, die sich in Österreich zunehmend radikalisiert hat und spricht mit Betroffenen.(ARD)

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Die Machtmaschine – Wie Facebook und Co. Demokratien gefährden

Mit tausenden Dokumenten aus dem Innern des Facebook-Konzerns erhob die Whistleblowerin Frances Haugen im Herbst 2021 schwere Vorwürfe: Mächtige Plattformen würden Menschen weltweit gefährden, und in manchen Ländern führte dies zur Verfolgung von Minderheiten oder zur Unterdrückung von Oppositionellen. Die Dokumentation zeigt, wie raffiniert soziale Medien missbraucht werden, um Demokratien anzugreifen. (ARD)

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Im Radio

Auschwitz überlebt – ermordet in Frankfurt: „Searching Blanka“ – Eine Podcast-Serie in vier Teilen über das Leben der Blanka Zmigrod

1992 wird in Frankfurt am Main die jüdische Holocaustüberlebende Blanka Zmigrod auf ihrem Nachhauseweg auf offener Straße erschossen. Der mutmaßliche Täter wird kurz darauf ermittelt: Es ist ein schwedischer Rechtsterrorist. Dennoch führen die Spuren nicht zu einer Anklage. Erst 26 Jahre später wird der Mann verurteilt. Und selbst dann erkennt das Gericht kein politisches oder rassistisches Motiv in seiner Tat. Heute wirft dieser Fall noch immer Fragen auf. Die Journalisten Marina Schulz und Fabian Janssen begeben sich in der Podcast-Serie „Searching Blanka“ auf Spurensuche. In vier Folgen erzählen sie die Lebensgeschichte der Shoa-Überlebenden Blanka Zmigrod und beschäftigen sich mit den ungeklärten Fragen rund um ihre Ermordung.

Während die Medien beim Prozess ausführlich über den Täter berichten, ist über Blanka wenig bekannt. Wer war Blanka, die Frau, die in der Öffentlichkeit nur „die Garderobenfrau“ genannt wurde und wieso musste sie sterben? Warum blieb der Fall so lange liegen, obwohl schon kurz nach dem Mord der mutmaßliche Täter ermittelt worden war? Hätten die deutschen Behörden den Fall anders behandelt, wenn das Opfer nicht eine jüdische Holocaustüberlebende gewesen wäre?

Denn der Täter John Ausonius galt unter Neonazis schon in den 90ern als „Role Model“ des allein handelnden „Lone Wolf“-Kämpfers. Wurde Blanka Zmigrod doch das Opfer eines rassistischen Anschlags? Und was hat es mit den Parallelen zum NSU auf sich, der ab 2000 jahrelang unentdeckt im Verborgenen mordete? War John Ausonius ein Vorbild für die Terrororganisation? Als Ausonius 2018 doch noch verurteilt wird, spielt das keine Rolle. (Deutschlandfunk)

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Antifeminismus: Wie mit Hass auf Frauen Politik gemacht wird

Dass Rechtsextreme rassistisch und antisemitisch sind, dabei auch vor Terror und Gewalt nicht zurückschrecken, ist hinreichend bekannt. Weniger präsent in der öffentlichen Wahrnehmung ist das Phänomen des Antifeminismus als Teil rechtextremer Ideologie. Doch Hass auf Frauen und auf feministische Errungenschaften wie Gleichberechtigung und Geburtenkontrolle sickert auch in die bürgerliche Gesellschaft ein. Und PolitikerInnen gehen mit Themen wie Gender und Feminismus auf Stimmenfang. Expert*innen im Dossier sind der Autor Tobias Ginsburg und die Genderforscherin Dr. Imke Schmincke. (BR)

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Über Rechte Reden. Der deutsche Nationalismus nach 1945

Die Geschichte der Bundesrepublik wird meist als die einer zunehmenden Liberalisierung erzählt. Außen vor bleibt dabei meist, wie verschiedene Formen des Nationalismus in diese Meister-Erzählung passen. Tatsächlich zeigen neuere Forschungen, dass in Westdeutschland nicht nur Prozesse stattfanden, die das Land liberaler machten, sondern auch solche, durch die es nationalistischer wurde.

Zu nationalistischen Organisationen im Nachkriegsdeutschland arbeiten am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam Laura Haßler und Dominik Rigoll, die in diesem Podcast Einblick in ihre Forschung geben.

Hier geht es zum Podcast des Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam e.V.

 

Der Aufstieg der Rechtspopulisten in Skandinavien

Seit Oktober 2023 sind die Schwedendemokraten indirekt an der Regierung in Stockholm beteiligt. Rechte Parteien haben sich in den skandinavischen Ländern mittlerweile etabliert. Wie konnte es soweit kommen, wie stark sind sie und wohin wird die Reise noch gehen? Diesen und weiteren Fragen geht Feature des Deutschlandfunk Kultur nach.

Hier geht es zum Beitrag in der Deutschlandfunk-Kultur-Mediathek

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